Mutiges Kapital für mutige Gründer:innen – ein Plädoyer für mehr Wagniskapital in Deutschland

Deutschland ist führend bei Patentanmeldungen, unsere Forschungsausgaben übersteigen sogar die der USA – und doch bleiben zu viele Ideen ungenutzt. Der Grund: Es fehlt an ausreichend heimischem Wagniskapital, besonders in der entscheidenden Wachstumsphase. Die Bundesregierung hat jüngst Maßnahmen beschlossen, um den Finanzstandort zu stärken. Doch politische Initiativen allein reichen nicht. Es liegt an uns Investor:innen, die Lücke zu schließen – mit Kapital, Risikobereitschaft und starken Netzwerken.

Ein Gastbeitrag unserer Co-Vorsitzenden Ina Schlie

Seit vielen Jahren investiere ich in junge Unternehmen und sehe täglich, welche enorme Innovationskraft in Deutschland steckt – und wie oft sie ungenutzt bleibt. In allen Phasen, aber gerade in der entscheidenden Wachstumsphase fehlt es Startups nach wie vor an verlässlichem Zugang zu Wagniskapital. Hinzu kommt, dass in diesen Phasen das Wagniskapital überwiegend aus dem Ausland kommt. Je größer die VC Deals, desto größer der Anteil ausländischer Investor:innen. Das bremst nicht nur Gründerinnen und Gründer, sondern schwächt unsere gesamte Volkswirtschaft. Denn die Beteiligung ausländischer Investor:innen erhöht das Risiko eines ausländischen Exits (d.h. Trades-Sale an ausländische Unternehmen oder IPO an ausländischen Börsen). Die Folgen sind schon seit einigen Jahren spürbar. Wir können nur ganz wenige Börsengänge in Deutschland verzeichnen. In den letzten fünf Jahren gab es gerade einmal 30 davon, in den USA weit über 1000. Nur 3% aller Exits deutscher Startups münden bei uns in einem hiesigen IPO, 88% in einem Trade-Sale und 9% in einem Buyout.

Das Bundeskabinett hat Maßnahmen beschlossen, um den Finanzstandort Deutschland attraktiver zu machen. Mit der fortgesetzten Förderung von zehn Startup Factories wird die Kooperation zwischen Hochschulen, Investor:innen und Unternehmen weiter ausgebaut. Die Win-Initiative wird von 12 Mrd. auf 25 Mrd. aufgestockt. Mit dem Deutschlandfonds sollen 10 Mrd. mit privaten Mitteln auf 100 Mrd gehebelt werden.  Wichtige Schritte – doch diese Initiativen müssen schnell und mit Nachdruck mit Leben gefüllt werden. Jetzt sind wir Investor:innen gefragt: Wir müssen diesen Aufbruch mitgestalten und aktiv vorantreiben.

Drei Punkte sind aus meiner Sicht entscheidend:

1. Mehr Kapital und Mut zum Risiko
Kapital ist der Treibstoff für Innovation und der Schutzschild, der Startups auch durch Krisen trägt. Während in den USA dreimal so viel privates Kapital mobilisiert wird, bleiben Europas Märkte fragmentiert. Wir dürfen nicht länger darauf warten, dass Politik oder öffentliche Fonds allein die Lücke schließen. Gefragt ist unser Kapital und unsere Risikobereitschaft.

2. Bessere Rahmenbedingungen und mehr Sichtbarkeit
Erleichterungen für Pensionskassen und Versicherungen sind längst überfällig, erste Signale setzt die Bundesregierung nun. Doch wir selbst können den Unterschied machen: indem wir Erfolgsgeschichten sichtbar machen. Geschichten von Gründerinnen und Gründern, die Arbeitsplätze schaffen, Märkte verändern und Werte aufbauen, überzeugen mehr als jede Zahl.

3. Partnerschaften und starke Netzwerke
Wagniskapital ist weit mehr als Geld. Es sind Netzwerke, Erfahrung und Begleitung, die junge Unternehmen wirklich voranbringen. Angel-Investor:innen, VCs und Unternehmen können gemeinsam eine Hebelwirkung entfalten, die über reine Finanzierung hinausgeht. Netzwerke wie encourageventures oder Co-Investments sind dafür ein kraftvoller Weg, die zugleich unsere Community stärken.

Deutschland ist europäischer Spitzenreiter bei Patentanmeldungen, unsere Forschungsausgaben übersteigen sogar die der USA. Es fehlt nicht an Ideen – sondern an Kapital, um sie in die Praxis zu bringen. Genau hier liegt unsere historische Chance: gerade in unsicheren Zeiten gegen den Trend zu investieren, Werte zu schaffen und Wachstum in Europa zu halten.

Als Investor:innen haben wir es in der Hand, Kapital nicht nur zu verwalten, sondern aktiv Zukunft zu gestalten – für Startups, für unsere Wirtschaft, für kommende Generationen. Lasst uns mutig vorangehen.

Liebe Ina, vielen Dank für Deinen Aufruf!